Dieser Satz des Dominikaners Yves Congar macht deutlich, dass die Berufung durch Gott etwas sehr Persönliches ist. Sie setzt ein offenes Ohr für die Stimme Gottes voraus. Aber wie erkenne ich sie? Dabei kann eine Idee des Jesuiten Josef Maureder helfen. Er unterscheidet den dreifachen Klang der Stimme Gottes:
Es kommt darauf an, diese drei Klänge immer mehr in Übereinstimmung zu bringen, um dann eine Wahl und Lebensentscheidung zu treffen. Wer sich entscheiden will, muss zunächst lernen zu unterscheiden. Das braucht Zeit und ein Leben, in dem Gott Raum hat, damit ich seine Stimme wahrnehmen kann, z.B. durch
Im Leben gibt es oft mehrere Möglichkeiten, zwischen denen ich mich entscheiden muss. Bei wichtigen Lebensentscheidungen, die anstehen, kann es helfen, die verschiedenen Szenarien gedanklich durchzuspielen: Wie geht es mit damit, wenn ich mich gedanklich für eines entschieden habe? Und wie geht es mir, wenn ich mich für das andere entschieden habe? Bei welchem Gedanken bin ich glücklicher, froher, freier? Mit einer Person meines Vertrauens oder einer geistlichen Begleiterin bzw. einem geistlichen Begleiter kann ich sprechen, um meine Gedanken zu ordnen und mir über meine spezifische Berufung klarer zu werden. Ob eine Wahl richtig ist, lässt sich daran erkennen, dass der innere Friede, aber auch Freude und Liebe zu Gott und Mensch wachsen. Das hilft, den gewählten Weg immer entschiedener zu gehen.
Vgl. Josef Maureder, S. 30 – 47.57-63, besonders 34.45-47.58-63.
Jede christliche Berufung ist einzigartig und appelliert an die Freiheit jedes Einzelnen. Sie fordert eine persönliche Antwort, die nicht in allgemeine Schemata gepresst werden kann. Jeder Mensch steht in einer Wechselbeziehung zwischen seiner eigenen Lebensgeschichte und einer größeren Heilsgeschichte, die ihn übersteigt. In dieser Beziehung bringt der Mensch seine Freiheit ins Spiel und wird zu einem Teil der göttlichen Geschichte.
Jede Berufung entsteht in einem konkreten Umfeld, doch sie zielt nicht auf private Vollkommenheit ab, sondern erblüht innerhalb der Kirche, die auf dem Weg zum vollendeten Reich ist. Die Kirche ist berufen, als Zeichen für Christus zu wirken, und ihre Gemeinschaft ist in die Welt gesandt, um die Menschheit in die Gemeinschaft der Kinder Gottes zu führen. Sie ist sowohl ein Zeichen der innigsten Vereinigung mit Gott als auch für die Einheit der Menschheit.
In der Kirche vollzieht sich der Übergang vom allgemeinen Zustand des Gläubigen zu seiner speziellen Berufung. Jede Berufung ist einzigartig und gleichzeitig notwendig und relativ: notwendig, weil sie Christus im Körper der Kirche sichtbar macht, relativ, weil jede Berufung nur einen Teil des Geheimnisses Christi widerspiegeln kann. Die Kirche schafft eine Gemeinschaft, die dem Einzelnen hilft, seine Berufung zu erkennen und zu leben. Diese Berufungen gedeihen in einem Klima des Glaubens, der Gebetsgemeinschaft und der geistlichen Reife.
Jede Berufung hat eine dreifache Dimension: In Bezug auf Christus ist sie ein „Zeichen“, in Bezug auf die Kirche ein „Geheimnis“ und in Bezug auf die Welt eine „Sendung“. Jede Berufung ist ein besonderer Ausdruck der Liebe Christi, die durch den Heiligen Geist in der Gemeinschaft der Kirche lebendig wird und in der Welt als Dienst am Reich Gottes wirkt.
Die Kirche ist die Mutter der Berufungen, weil sie sie hervorbringt, schützt und nährt. Sie ist ein Werkzeug Gottes, das den Gläubigen hilft, sich ihrer Berufung bewusst zu werden und darauf zu antworten. Die Kirche begleitet die Berufenen nicht nur zu Beginn ihrer Berufung, sondern sorgt für ihre kontinuierliche Bildung und Unterstützung. Eine Gemeinde zeigt ihre „Mütterlichkeit“, indem sie die Verantwortung für die Berufung nicht nur dem Wirken Gottes überlässt, sondern aktiv ruft und Möglichkeiten zur Annahme von Berufungen bietet.